19. Januar 2018
20.00 Uhr
‹DAS CABINET DES DR. CALIGARI›
Das Cabinet des Dr. Caligari gilt als Musterbeispiel für den expressionistischen Stummfilmstil und die Einbindung des Psychologischen und Wahnsinnigen bis hin zu den Abgründen der menschlichen Seele. Er wird auch als erster Horrorfilm der Filmgeschichte bezeichnet und spiegelt die gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland der 20er Jahre wider.
Der Film erzählt die Geschichte des Dr. Caligari, der mit Hilfe eines Somnambulen (Schlafwandlers) namens Cesare eine kleine norddeutsche Stadt in Angst und Schrecken versetzt. Tagsüber präsentiert Dr. Caligari den an einer merkwürdigen, tranceartigen Krankheit leidenden Somnabulen, names Cesare, auf dem Jahrmarkt. Diese Kreatur, Cesare, schläft seit seiner Kindheit in einem Sarg und wird tagsüber durch Dr. Caligari „wieder belebt“. Dann sagt der hochgewachsene, dürre und blasse Schlafwandler den Schaulustigen des Jahrmarkts die Zukunft voraus.
Des Nachts aber schleicht dieser „Sklave“ des Dr. Caligari durch die Stadt und begeht unter dem Einfluss seines Herrn furchtbare Morde. Als eines Nachts ein junger Mann ermordet wird, dem Cesare den nahen Tod prophezeit hatte, ahnt Francis, ein Freund des Toten, dass Dr. Caligari mit der Sache zu tun hat. Als dann Francis′ Freundin Jane von Cesare entführt wird, wird der Verdacht zur Gewissheit. Eine aufgebrachte Menge macht sich auf die Jagd nach dem flüchtenden Doktor. In einem Irrenhaus scheint Francis den Schausteller in die Enge getrieben zu haben, da muss er eine furchtbare Entdeckung machen: Der wahnsinnige Dr. Caligari ist der Direktor der Anstalt!
Die Rahmenhandlung schafft die Doppelbödigkeit des Films: Denn Francis, der die Geschichte von Dr. Caligari erzählte, ist selbst Insasse der Nervenheilanstalt. So beginnt denn auch der Film mit der Szene eines Rückblicks, die aus dem Garten der Irrenanstalt heraus erzählt wird.
Dr. Caligari wird eindrücklich von Werner Krauss dargestellt, Cesare von Conrad Veidt, Francis von Fredrich Feher und Jane von Lil Dagover. Robert Wiene als Regisseur kreierte mit seinem Team einen Film des Wahnsinns/des Horrors. Das Zusammenspiel von Wahnsinn und Mord, Angst und Schrecken, Alptraum und Realität zeigen die Abgründe der menschlichen Seele und Existenz. Die extreme Mimik und Gestik, gepaart mit der schreckenserregenden Gesichtsdarstellung (Make-up) und dem verzerrenden Kulissenbild verstärken das Wahnsinnige dieses Films in jedem Detail und untermauern die groteske, finstere Grundstimmung. Hier sind nicht nur die Charaktere, hier ist die ganze Welt aus den Fugen geraten!
Die expressionistischen Kulissen - alle gegen die Gesetzte der Perspektive verstossend - mit Zickzack-Treppe, Lichtspiel von Helligkeit und Schatten, das gesamthaft vollständig bizarre Gefüge, dem jegliche Perspektive fehlt – all das trägt zu Unheimlichkeit, Schräge und Verkehrtheit/Verzerrtheit dieses Films bei.
Von einigen Filmhistorikern wird der Film auch als wichtiges Zeitdokument betrachtet. Er ist das Sinnbild einer instabilen Gesellschaft, die durch unheilvolles Wirken autoritärer Mächte gänzlich aus den Fugen zu geraten drohte. Die 20er Jahre waren die Zeit des Surrealismus und Dadaismus. Alles Gewohnte wurde negiert; es war eine Dekade, in der sämtliche Sicherheiten schwanden. So wurde der Film auch als Vorwegnahme resp. als Prophezeiung des dritten Reichs interpretiert: Caligari steht für Zerstörung!
Gezeigt wird der Film in der 2014 restaurierten, digitalen Version.